Pekinger Toleranzoffensive

aus FAZ 25.4.07
Von Petra Kolonko

Einst galt der Taoismus als "Aberglaube". Aber seit die offizielle chinesische Politik die "Harmonie" als Ziel all ihres Tuns propagiert, hat sich vieles geändert. Im vorigen Jahr versammelten die chinesischen Kommunisten Buddhisten um sich, jetzt sind Taoisten dran.

XI'AN, 24. April. Die chinesische Führung hat das "Tao" entdeckt. Das jahrtausendealte Konzept des "Wegs" und die Volksreligion des Taoismus, die lange als "feudalistischer Aberglauben" bekämpft wurde, kommen wieder zu Ehren. Anhänger des Taoismus und taoistische Gelehrte aus aller Welt sind in die alte chinesische Kaiserstadt Xi'an geladen, um die neueste Interpretation des Taoismus zu hören: die der Kommunistischen Partei.

Nachdem Chinas Regierung im vergangenen Jahr erstmals ein internationales Treffen von Buddhisten ausgerichtet hatte, erfreut sich jetzt der Taoismus, Chinas ureigene Volksreligion, neuer regierungsamtlicher Würdigung. Damit will die Partei nicht nur ein Jahr vor den Olympischen Spielen in Peking dem Ausland religiöse Freizügigkeit und Toleranz demonstrieren. Es geht auch um hohe Parteipolitik.

Die Parteiführung unter Hu Jintao nimmt einen der Grundwerte buddhistischer und taoistischer Weisheit für sich und ihre Politik in Anspruch. "Harmonie" ist die neue Devise der Regierung. Zu Hause soll eine "harmonische Gesellschaft" aufgebaut werden, international strebt man die Förderung einer "harmonischen Welt" an.

"Harmonie ist das Ziel der gesamten chinesischen Nation geworden", behauptete ZK-Mitglied Liu Yandong bei der Eröffnung des Taoisten-Treffens. Für diese Harmonie brauche die chinesische Regierung "Anleitung" aus einer "Kultur der Harmonie". Einer der Ursprünge der Harmonie sei der Klassiker des Lao Tze, das in Deutschland als "Tao Te King" bekannte Werk, in dem es unter anderem heißt, dass der "Weg" die Harmonie sei.

Damit ist das Taoisten-Treffen weit mehr als eine akademische oder folkloristische Veranstaltung. Die chinesische Regierung hat weder Kosten noch Mühen gescheut, um den Taoismus feiern zu lassen. Zuerst eine Massenrezitation in Hongkong, dann ein Massenspektakel auf der Stadtmauer von Xi'an mit mehr als tausend Mitwirkenden, Einladungen an Taoisten und Gelehrte aus aller Welt, aufwendige Publikationen und viel Presseberichterstattung zeigen an, dass hier von ganz oben viel Geld und Anleitung investiert wurde. Die staatliche Religionsbehörde ist beteiligt, ebenso das Ministerium für die Einheitsfront. Es gab eine Grußbotschaft des Politbüros. Neben hohen Gästen aus Peking kamen Provinzgouverneur und Parteichef, alle sprachen sie von der "Harmonie", die China der Welt bringen könne.

"Eine harmonische Welt, kommuniziert durch das Tao", lautet das Motto der Veranstaltung. Dass die Taoisten und die Kommunistische Partei unter dem "Tao" möglicherweise ganz verschiedene Dinge verstehen, wurde allenfalls am Rande erwähnt. Für die chinesische Regierung heißt Taoismus "Harmonie", und die bedeutet in der Außenpolitik derzeit vor allem, dass es keine hegemoniale Supermacht geben sollte, dass die Welt multilateral sein sollte und dass jedem Land - besonders China - sein eigener Entwicklungsweg gelassen werden sollte.

Damit verwahrt die chinesische Regierung sich gegen "Einmischung" und Kritik von außen, besonders von Seiten der Supermacht, aber auch anderer westlicher Staaten. Mit dem Bezug auf die traditionellen Werte richtet sich die Kommunistische Partei auch gegen westliche Wertvorstellungen von Demokratie und Menschenrechten und behauptet, dass in China andere Werte wichtiger seien.

Der Taoismus kommt der Regierung auch in anderer Hinsicht gerade gelegen. Mit seiner Betonung der "Einheit zwischen Natur und Mensch" wird er von vielen als eine erste "Umweltphilosophie" interpretiert. Die Volksrepublik China steht derzeit vor gravierenden Umweltproblemen. Jahre des schnellen und unkontrollierten Wachstums haben Erde, Wasser und Luft in weiten Teilen Chinas verschmutzt. Erst in jüngster Zeit hat die Parteiführung sich dem Umweltschutz und der nachhaltigen Entwicklung verpflichtet. Da hilft es auch, darauf hinzuweisen, dass sich unter Chinas Klassikern bereits einer befindet, der sich der Umwelt widmet.

Redner wie der stellvertretende Vorsitzende des Volkskongresses beschworen die Bedeutung der heimischen Kultur und ihre Bewahrung gegenüber den Einflüssen aus dem Ausland. Nicht erwähnt wurde dabei, dass Chinas traditionelle Kultur und auch der Taoismus in den vergangenen Jahrzehnten nicht vom Ausland, sondern von der Kommunistischen Partei selbst bekämpft wurden. In der Kulturrevolution (1966 bis 1976) wurden Hunderte taoistischer Tempel zerstört und wertvolle Schriften verbrannt. Der Wiederaufbau einer der heiligen Stätten des Taoismus, der Louguantai bei Xi'an, der während der Kulturrevolution zerstört wurde, wurde erst jetzt, pünktlich zum Taoisten-Treffen, abgeschlossen.

Text: F.A.Z., 25.04.2007, Nr. 96 / Seite 3

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