Schulbänke im Erdbebengebiet - fotografieren verboten

„Gestatten mein Name ist Fluck, Viviane Lucia Fluck! Einen Martini bitte, geschüttelt nicht gerührt!“

„Seid ihr soweit? Dann kann‘s ja losgehen!“ mit diesen Worten setze ich mich in die letzte Sitzreihe unseres Minivan.
Vorn neben Fahrer Zhu sitzt Alma, eine Chinesische Volontärin, sie soll uns heute zu einer Schule in der Nähe von XXXXXX begleiten, welcher wir ca. 140 Schulbänke und Stühle gespendet haben. In der Sitzreihe hinter dem Fahrer sitzt Femke, die holländische Photographin welche das Geld für die Aktion gesammelt hat.
Heute Morgen wurden die Stühle und Tische geliefert und nun wollen wir uns vergewissern dass sie auch wirklich angekommen sind und noch wichtiger ein paar Photos für die Spender machen.
Wir fahren durch den stärker werdenden Regen und verlassen die nun noch grauer wirkende Stadt Chengdu um nach drei Stunden Highway in die Berge zu gelangen und nach weiteren zwei Stunden einen Lehrer der Grundschule zu treffen, welcher uns den Weg zeigen soll.
Wir fahren ein kleines Stück die Straße hinauf bis wir zu einer Brücke kommen welche durch eine Schranke und zwei uniformierten Damen blockiert wird.
Wir halten an und Fahrer Zhu erklärt unser Anliegen. Die beiden Damen in dunkelblauen Uniformen schauen etwas unsicher und sagen dies sei gesperrtes Gebiet.
Dann schaut die eine in den Wagen und entdeckt „Oh schreck“ nicht nur eine Ausländerin sondern gleich zwei!
Kaum hat sie unsere langen Nasen gesehen, macht sie auf dem Absatz kehrt und sagt, wir könnten auf keinen Fall passieren.
Wir parken auf der anderen Straßenseite und mit meinem Pass ausgerüstet gehen Alma, der Lehrer und ich noch einmal zu den beiden Damen, welche, nachdem sie mein Chinesisch loben, die Daten aus meinem Pass aufschreiben wollen.
Behutsam nimmt die erste der beiden Frauen meinen zerfledderten Pass in die Hand und beginnt die Aufschrift des selbigen in Druckbuchstaben und mit großer Mühe abzuschreiben. „EUROPÄISCHE UNION“ „was heisst das?“ „Ouzhou“ – Europa- antworte ich. Dann malt sie auch noch „BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND“ und „PASSPORT“ ab und lässt mich alles übersetzen. Es folgt ein interessiertes Blättern durch meinen Pass und sie verbringt weitere zwanzig Minuten damit meinen Namen, Geburtstag usw. aufzuschreiben, zwischendurch komplimentiert sie mein Chinesisch, vielleicht um mich zu beruhigen, denn inzwischen ist mein Lächeln etwas gezwungen.

In der Zwischenzeit ist ein Polizeijeep über die Brücke gebraust gekommen, zwei Polizisten steigen aus und während der Regen auf das Zeltdach des Polizeiblocks nieselt, erklären wir ein weiteres Mal unsere Situation, versichern wir wollten nur zur Schule, nichts anderes als die Stühle und Tische würde uns interessieren.
Die beiden Polizisten nehmen Alma beiseite, sagen ein paar Worte und steigen mit breitem Lächeln wieder in ihr Auto.
Die ganze Passprozedur wird dann mit dem Pass der Holländerin wiederholt „EUROPESE UNION“ usw.
Zwischendurch fragt mich die Dame dann auch noch, wie das ein oder andere Wort ausgesprochen wird.
Nachdem sie unsere Nerven zu Genüge strapaziert hat, erfahre ich, dass zwar all unsere Daten notiert worden sind, wir aber trotzdem nicht über die Brücke kommen, denn neben der Schule ist ein Militärcamp und das ist geheim.
Dass wir jetzt wissen, dass dort ein Militärcamp ist, scheint nichts auszumachen nur können wir eben nicht zu unserer Schule.
„Erstmal zurück zum Hauptzweig der Schule“ sagt Alma und ich ahne schon, dass es vielleicht doch noch eine Möglichkeit gibt die Stühle und Tische in diesem Leben zu Gesicht zu bekommen.
Der Hauptzweig der Schule liegt glücklicherweise auf unserer Seite des Flusses und somit können wir dort den Schuldirektor treffen, welcher sich sichtlich unwohl fühlt in seiner Haut und sich ausführlich für die Komplikationen entschuldigt aber auch nicht helfen kann.
Wir setzen uns erstmal mit einem Becher heißem Wasser vor eins der provisorischen Häuser und diskutieren unseren nächsten Schritt.
Femkes Gesicht wird länger und länger und nur mit viel Galgenhumor und dem Versprechen, dass ich sämtliche politischen Kontakte anrufen werde, sobald wir zurück in Chengdu sind kann ich sie etwas beruhigen und überzeugen, die Tische nicht direkt zurückzuverlangen.
Nach einigen Minuten kommt ein weiterer Uniformierter, diesmal vom lokalen Polizeirevier, erneut erklären wir unser Anliegen, sagen wenn wir keine Photos von den Tischen und Stühlen machen könnten würden wir sie einfach wieder abholen lassen, doch das interessiert den Polizisten nur wenig. Wieder werden unsere Pässe aufs genaueste studiert und obwohl Alma mehrmals sagt, ich würde gut Chinesisch sprechen, ignoriert der Polizeibeamte meine höflich gestellten Fragen geflissentlich.
Am Ende sagt er, er wäre auch nicht zuständig und auf meine Frage wer denn zuständig wäre, rennt er einfach in die entgegengesetzte Richtung von mir und kommt nicht mehr wieder.
Inzwischen haben wir rausgefunden, dass das Militärcamp so super geheim ist das nicht mal Chinesen, die nicht in dem Dorf neben dem Militärcamp wohnen, über die Brücke dürfen. Außerdem seien hier vor ein paar Wochen ein paar ausländische Spione gefangen genommen worden und wir könnten ja schließlich auch Spione sein wird uns im Flüsterton erklärt.
Ich kann mir ein lautes Auflachen nicht verkneifen und sehe mich schon als Jane Bond und Femke als Mata Hari.
Am Ende wird beschlossen, dass Alma über eine zweite Brücke, welche weniger stark bewacht wird, zur Schule geschmuggelt wird und sie mit Femkes Kamera Photos von den Schulräumen machen wird.
Wir warten indessen auf der gegenüberliegenden Seite und vertreiben uns die Zeit mit einem kleinen Mittagessen.
Nach einer Stunde kommt Alma wieder- “Mission erfolgreich“ -und nachdem wir über den Fluss hinweg aus dem Auto ein Photo von den roten Dächern der Schule schießen, machen wir uns auf den fünfstündigen Rückweg nach Chengdu. Während wir im Minivan durch die Berglandschaft brausen, werden unsere Namen wahrscheinlich vom Chinesischen Geheimdienst geprüft und vielleicht ist unter den Lesern dieses Artikels nun auch ein Beamter der Chinesischen Regierung.

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