Wudangshan 2



Was ist das für eine Religion, Daoismus? Man spricht heute gerne von Laozi als dem Begründer des Daoismus. Das ist falsch, wenn man mit anderen Autoren, z.B. Hans-Georg Möller, annimmt, dass es die historische Person Laozi überhaupt nicht gegeben hat und das Buch Laozi oder Daodejing eine Sammlung von Sprüchen darstellt, die im Verlauf einer Zeit zwischen dem fünften und zweiten Jahrhundert vor Chr. zusammengetragen wurde. Die weltanschaulichen Grundlagen des Yin Yang Prinzips, der fünf Wandlungsphasen und der Ahnenverehrung sind auch nicht Eigenheiten des Daoismus, sondern sehr frühe Bestandteile der chinesischen Kultur, auf die im Laozi Bezug genommen werden. Sie finden dort eine Auslegung, die zu einer bestimmten Lebensführung raten. "Ich schreibe jenen Autoren, die man bisweilen als `Väter des Taoismus` bezeichnet, keineswegs die Prägung des Begriffs tao zu, sondern meine vielmehr, daß dieser Begriff bei ihnen eine am weitesten von seinem ursprünglichen Sinn entfernte Bedeutung angenommen hat." (Marcel Granet: Das chinesische Denken)
Die unterschiedlichen Schritte der Zuwendung zum Daoismus, die im Verlauf der letzten 200 Jahre im Westen unternommen wurden, orientieren sich an einem philosophischen Denken, häufig nach den eigenen Bedürfnissen zurechtgebogen. Sie finden praktische Anwendung im Taijiquan, dem Fengshui oder einer Diät. Die religiöse Variante ist hier, im Gegensatz zu den Mainstream-Schulen des Buddhismus Zen und Lamaismus, kaum bekannt. Das mag zum einen daran liegen, dass der Daoismus in der Volksrepublik China und auch schon in der vorangegangenen Ming-Dynastie rigoros unterdrückt wurde, zum anderen gibt es derzeit auch keine im Westen missionierenden Superstars wie den Dalai Lama oder TichNatHan.
Auch am Berg Wudang war es schwierig, über die religiösen Inhalte Auskunft zu bekommen. Wir brachten in Erfahrung, dass dort zwei Mönchs"Orden" neben- oder miteinander existieren, die sich äußerlich nur durch die Kopfbedeckung unterscheiden. Die Quanzhen- Daoisten, die stark buddhistisch beeinflusst sind, leben monastisch und zölibatär, während die Zhengyi-Daoisten heiraten dürfen und eine ausgeprägte Ritualistik und magische Praktiken anwenden.
Die Tempel sind nach buddhistischem Vorbild in drei Hallen angeordnet, in denen meist lokale Gottheiten verehrt werden. Am Wudangshan steht Zhenwu im Vordergrund, dessen Geschichte seiner Kultivierung, wie hier der Weg zur Erleuchtung genannt wird, starke Ähnlichkeiten mit der Historie des Prinzen Siddhartha, später Gautama Buddha, aufweist. Überhaupt scheint sich der monastische Daoismus als eine Reaktion auf die Ausbreitung des Buddhismus etabliert zu haben. Anfangs wurde der Buddhismus als eine verzerrte Version des Daoismus aufgefasst. Nach der Legende soll Laozi in den Westen gezogen sein und dort als Buddha seine Lehre verbreitet haben. Dieses Missverständnis wurde noch unterstützt durch die Verwendung daoistischer Begriffe bei der Übersetzung des buddhistischen Kanons.
Als sicheres Datum des ersten Auftretens einer religiösen Gruppe, der Kirche der Himmelsmeister, kann man das Jahr 215 n. Chr. ansetzen. Als die Rebellion der gelben Turbane niedergeschlagen wurde, anerkannte der Anführer Zhang Lu den General Cao Cao als neuen durch Laozi legitimierten Kaiser an, der ihn im Gegenzug als Himmelsmeister (Tianshi) anerkannte. Ausführliche Informationen über die Himmelsmeisterbewegung findest du bei Wikipedia.
Der Daoismus zeigt sich nicht als eine einheitliche Religion. Es entstanden diverse Schulen mit sehr unterschiedlichen Praktiken. Eine verbindende Idee ist die Suche nach Unsterblichkeit. Das wurde zeitweise sehr körperlich verstanden, man versuchte mittels Pillen und Elexieren eine Lebensverlängerung zu erreichen. Die dabei eingesetzten Mittel Zinnober, Quecksilber, Gold oder gemahlene Perlen bewirkten jedoch oft das Gegenteil, viele der Alchemisten starben an Vergiftungen.
Hingegen konnten sich die Schulen der inneren Alchemie bis in die Gegenwart erhalten. Hierbei werden Körper und Geist als „inneres Labor“ verstanden und mittels meditativer Praktiken soll die vermischte Struktur des in Erscheinung getretenen Lebens kultiviert und zur ursprünglichen Einheit zurückgeführt werden.


Ob aus Pragmatismus oder zu Zwecken der Geheimhaltung einige dieser Praktiken wurden in Kampftechniken gekleidet, woraus die heute bekannten Inneren Schulen (Nei Jia) Taijiquan, Baguazhang und Xingyiquan entstanden sind.

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