Vielleicht mache ich ja in letzter Zeit zuviel Sudoku, wenn sich in meinem Hirn das Bedürfnis herausbildet, die Taijiquan - Scene mal in Reih und Glied zu bringen. Auch weiß ich nicht genau, für wen ich das tue, mir selbst ist es ja mehr oder weniger klar, wo es mir unklar ist, ist es mir auch (noch) nicht wichtig. Vielleicht für Leute wie jene Frau, die mir neulich erzählte, sie habe damals mal auf einem Seminar schon das Taiji gelernt und auf meine Nachfrage, welches denn, konnte sie nur antworten: "na, das Taiji eben." Für sie gab und gibt es bisher nur "DAS Taiji".
Einfach beginnen läßt sich mit der Unterteilung in Stile:
Chen, Yang, Wu, Sun, Hao (Wu) und vielleicht noch den Lee (nach Chee Soo). Nennen wir sie die Familienstile.
Daraus abgeleitet wurden die moderneren Formen, der Staatsstil mit der "Pekingform" mit 24 Bildern, der Form mit 48 Bildern, mit 42 Bildern, 36 und letztlich auch mit nur noch 10 Bildern.
Des weiteren gibt es diverse Stile in Klöstern bzw. deren Umgebung, die ebenfalls deutliche Unterschiede zueinander und den anderen Stilen aufweisen.
Darüber hinaus finden wir noch einige "Exoten", deren Stile nicht eindeutig zuzuweisen sind und oftmals auch einen eigenwilligen Zugang zu oder Umgang mit dem Taijiquan praktizieren. Ich denke dabei an Leute wie Mantak Chia oder Al Huang. Man möge mich korrigieren.
Damit sind wir auch schon bei einem weiteren Kriterium, welches nicht so eindeutig und einfach zu kategorisieren ist, wie die Stile - nämlich die Zielsetzung oder zumindest die Gewichtung.
Historisch hat sich Taijiquan eindeutig als eine Kampftechnik entwickelt. Ob allerderdings die Kampftechnik tatsächlich die ursächliche Absicht war oder nicht "nur" eine praktische und auch notwendige Zutat, läßt sich wohl schwerlich bestimmen. Dazu sind die zugänglichen Quellen nicht sicher genug.
Allein daraus ergibt sich schon ausreichend Spekulationsmaterial, mit dem Dan Brown einige weiteren Millönchen verdienen könnte (vielleicht ein hilfreicher Tipp für Strizz) sorry - zurück zum Thema.
Kampftechnik: Für einige Praktiker das einzige weshalb es sich lohnt, Taijiquan zu erlernen, für andere garnicht vorstellbar, dass damit gekämpft werden kann und für wieder andere eine geradezu eklige Vorstellung.
Gesundheit: Eines der Einfallstore für Taijiquan in unsere Kultur. Als ein Weg zu Gesundheit, allumfassend, grundsätzlich, fast schon ein Zaubermittel, betrachten viele Einsteiger diese fremde Kunst Chinas. Wird auch immer noch von Medizinern gerne so an die Patienten weitergegeben:"Machen Sie doch Taiji - das hilft bei Rheuma...(oder einer beliebig einzusetzenden Krankheit)..." Der gute Onkel Doktor hat selber noch nie einen Schritt in diese Richtung getan, folgt wahrscheinlich einem Artikel ein seiner Fachzeitschriften oder einer Randbemerkung auf einem Seminar - ohne genau hingehört oder gelesen zu haben. LIEBE ÄRZTE, LIEBE LEIDENDEN: TAIJIQUAN IST KEIN ZAUBERTRANK.
Etwas abgespeckt und wieder auf den Boden gebracht ist Taijiquan deshalb für viele eine Art Sport, ohne dabei an den Leistungsgedanken heranreichen zu wollen, der derzeit in Chian angesichts der bevorstehenden Olympiade in den Vordergrund geschoben wird.
Meditation: eine in Bewegung, ebenfalls ein Einfallstor (einen Toren nennt man auch Einfaltspinsel, manchmal scheint in der Sprache manches aneinander zu kleben) machen sich alle zu Nutzen, denen stundenlanges Rumsitzen zu öde oder zu anstrengend erscheint. Diese haben allerdings den Teufel mit Beelzebub ausgetrieben. Dennoch ist Taijiquan auch als eine Meditation, ein spiritueller Weg verstehbar und wird von vielen dergestalt praktiziert. Hier reicht das Spektrum allerdings wiederum weit von einem Newage "Hula" über die Achtsamkeit bis zu Metaphysischem und Sexualmagie.
Hab ich was vergessen? Dann bitte Kommentar abgeben.
Achja. Wozu diese Überschrift? Damit du bis hier unten liest, neugierige Nase. Wird aber fortgesetzt.
3 Kommentare:
Genau so ist es. Aber auch ich habe mir mit solchen Aussagen wenig Freunde gemacht. Tai Chi ist inzwischen zu viel Geschäft geworden. Und die Wahrheit schadet dem Geschäft.
Thesen zu Tai Chi Chuan
1. Die Formsequenzen sind ein imaginärer Kampf. Damit die Form nicht eine “Hohlform“ ist sollten wir sie auch unter dem Gesichtspunkt des Kampfes interpretieren.
2. Selbst viele TCC-Lehrende können oder wollen die Sequenzen nicht als Selbstverteidigung deuten....
3. „Chi“-Energie ist auch zerstörerische Energie.
4. Gewalt wird von den meisten TCC-Übenden verdrängt.
5. „Push Hands“ lehrt die Verhinderung von Gewalteinwirkung wie auch den Einsatz von Gewalt.
6. Die „Verharmlosung“ von TCC ( also des aggressiven Aspektes der Chi-Energie ) läßt das TCC zu einer wirkungslosen und oberflächlichen Formübung verkommen.
7. Gerade der Selbstverteidigungsaspekt unterscheidet TCC von den vielfältigen anderen Bewegungstherapien; erst das Akzeptieren des aggressiven Teils der Chi-Energie macht das TCC zu einer bis an die Wurzel gehende Bewegungskunst.
Detlef Zimmermann
Mai 1998
Vor nun fast 20 Jahren habe ich diese Thesen aufgestellt. Mal sehen was weiter aus dem Tai Chi wird?
zu 3) Qi ist nicht sowohl erschaffende als auch zerstörerische Energie, sondern weder... noch.
zu 4 & 5) Der Aspekt der Gesundheit schließt nicht nur die Fähigkeit ein, sich gegen Bazillen, Viren und sonstige Krankheitserreger zu schützen, sondern auch gegen einenSchlag auf die Nase.
zu 6) Das kann man so doch nicht sagen. Es scheint doch auch ohne Kampfaspekt ganz schön zu sein, sonst würden es nicht so viele praktizieren.
Inzwischen sehe ich die Dinge auch etwas differenzierter. Aber im Kern scheint mir der Kampfkunstaspekt des Taiji nach wie vor vernachlässigt zu werden.
Gruß Detlef
Kommentar veröffentlichen